Titel
"Die nüchterne Erkenntniskritik hat vorläufig zu schweigen." Fritz Mauthner und der Erste Weltkrieg oder Die Geburt der Sprachkritik aus dem Geist des Nationalismus
AutorenPeter Stachel, Wien
Ausgehend von seinen während des 1. Weltkrieges verfassten Propagandatexten wird Fritz Mauthners Sprachkritik einer Neuinterpretation unterzogen, die auch seine literarischen und autobiografischen Schriften einbezieht und dabei die grundlegende Bedeutung hervorhebt, die der Sozialisation Mauthners als deutschsprachiger Jude im Böhmen des "Nationalitätenkonflikts" der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zukommt. Mauthner erweist sich als Vertreter eines aggressiven Deutschnationalismus, der auch eine der wesentlichen, bislang weitgehend ignorierten Grundlagen seiner philosophischen Sprachkritik darstellt. Die Kehrseite von Mauthners vollständiger Leugnung der "Abbildungs-" und "Beschreibungsfähigkeit" der Sprache ist nämlich – explizit ausformuliert – deren privilegierter Charakter zur Herstellung von kollektiver Identität im Sinn des Nationalismus.
Starting from Fritz Mauthner's propaganda articles, which he wrote during World War I, this paper offers a new interpretation of his Critique of Language. It is based on his philosophical writings a well as on his literary and autobiographical texts. Especially Mauthner's biographical background as a German-speaking Jew raised in Bohemia, one of the centres of national struggles in Centrale Europe during the second half of the 19th century, is of imperative importance for a deeper understanding of his ideas on language. Politically Mauthner was a follower of an aggressive German nationalism, that is – until now more or less ignored – one of the basic fundaments of his philosophy of language. His denial of the language function of depiction and description is directly and explicitly linked with the idea, that language is a privileged tool for the building of "collective identity" according to nationalism.
Schriftgröße
