Techno-Media - Part 2

posted by Bela Rasky on 2006/03/25 20:57

[ Techno-Media ]

"Gerade als ich mir Jugendrichterin Barbara Salesch auf Sat1 reinzog, überkam's mich..."
TV in Ungarn

Im folgenden soll unter dieser Rubrik die Mediensituation in Ungarn beschrieben werden, mit allen Facetten, aber besonderer Betonung auf die elektronischen Medien.

Für den "Techno"-Bereich kann [budapest] leider nichts garantieren, da ja der designierte stellvertretende Ministerpräsident der FIDESZ, István (glaub' ich zumindest) Mikola, seinen Widerwillen gegen dieses Wort und die damit verbundene Musikgattung wie berichtet kundgetan, weiters die Notwendigkeit der Einschränkung der individuellen Freiheitsrechte im Interesse des Gemeinwohls lanciert hat (was er aber inzwischen bedauert hat). Es ist also damit zu rechnen, dass eine neue FIDESZ-Regierung sofort die staatliche Medienbehörde ORTT (zu ihr noch später) vorbeischicken wird, und dann ist Schluss mit technolustig oder Technoschluss mit lustig.

Bevor es weitere Berichte, Bemerkungen, Blödeleien und Zynisches gibt, jedoch einige Grundinfos, da alles "kompliziert" ist (um mit ol' Fred Sinowatz zu sprechen): Ich weiß aber ehrlich gesagt auch nicht, warum die elektronische Mediensituation in Ungarn verzwickter ist als in Österreich, wo es ja denn ORF gibt (oder ist vielleicht gerade damit alles gesagt?). In Ungarn ist die politische Elite besessen von der Idee, die Medien kontrollieren zu müssen. Das rührt aus der Wendezeit, als die KP alle Medien beherrschte und damit tatsächlich ein unheimliches Manipulationspotenzial in der Hand hatte: Es wäre übrigens für einige heute sich so superdemokratisch gebär/d/ende Journalisten tatsächlich wohl sicherlich am besten, wenn man ihre Rolle in dieser Zeit vergäße.

Das ungarische Fernsehen war 1988/89 ein Vorreiter der Wende, allein unter dem kurzfristig 1990 bestellten Intendant "Professor" István Nemeskürty gelang es, das demokratische Potenzial von MTV, seine engagierten JournalistInnen vollkommen zu neutralisieren: Fernsehen und sein Kuratorium spielten im ersten demokratischen Wahlkampf eine schlimme Rolle. Nemeskürty ist heute eine Gallionsfigur der Rechten: Zu seinen in meinem Gedächtnis bleibenden Ideen gehört es, im Jahr 2000 eine sog. "Milleniumsfahne" zu stiften, die dann reihum von Ministern mit Pomp und Bahöö an alle Kaffs zwischen Székler- und Burgenland verteilt wurden.

Diese Besessenheit bezüglich einer notwendigen Kontrolle der Medien hat also durchaus historische Wurzeln, die aber auch dazu führte, dass medienpolitisch gesehen Ungarn – das technisch und inhaltlich gesehen eine Pionierrolle im Bereich der Liberalisierung und Demokratisierung der Druckmedien spielte – im elektronischen Bereich – wo ebenfalls alles bereit stand und steht - im Bereich der digitalen Medientransformation das EU-Schlusslicht bildet. Das Land hat sich – nach einem langen Medienkrieg (der auch so heißt) - eine Gesetzgebung verpasst, in der einem parteipolitisch besetzten Hörer- und Seherbeirat bzw. einer Behörde – nämlicher ORTT – eine überdimensionale Bedeutung zugeschrieben wird, und wo manchmal durchaus ernsthaft angeschnitten wird, auch das Internet der Kontrolle dieser Behörde zu unterstellen.

Opfer des Medienkriegs war neben dem guten, investigativen Journalismus das öffentlich-rechtliche Fernsehen MTV, das sich 1992-1997 kaum auf die Dualisierung der elektronischen Medien vorbereiten konnte bzw. durch die ständigen politischen Eingriffe in politische Sendungen jede Glaubwürdigkeit verlor: Nicht zu Unrecht heißt MTV heute im ungarischen Alltagssprachgebrauch "Királyi TV", also "Königliches Fernsehen", weil es inzwischen tatsächlich nur eine der gerade an der Regierung befindlichen höfischen Gefolgschaft genehme Berichterstattung pflegt (und de facto inzwischen auch pleite ist, sein Dasein also am Gängelband fristet.) MTV hat zwei Programme – m1 ist als Vollprogramm landesweit terrestrisch zu empfangen, m2 als – erstaunlich gutes - kulturelles Spartenprogramm nur über Satellit und Kabel (und im Raum Budapest und Westungarn über DVB-T). Seit gestern hat die Anstalt übrigens einen neuen Jingle für m1 und m2 – ich finde ihn hübsch, OK, ein bisschen "magyarosch".

Seit September 1997 gibt es auch zwei landesweite kommerzielle Programme, RTL Klub und TV2: RTL gehört zur deutschen Bertelsmanngruppe, TV2 zur skandinavischen SBS-Gruppe. Die Vergabe der Lizenzen erfolgte unter skandalösen Umständen – die Gruppe um Ronald Lauder mit seiner CET, die damals bereits Nova in der Tschechischen Republik betrieb und sich in Ungarn mit dem Programm "Írísz" mit dem besten Anbot beworben hatte, wurde mit unterschwellig antisemitischen Argumenten in seltener Eintracht zwischen rechts und links ausgeschaltet (weil man eine liberale, sprich jüdische Mediendominanz meinte verhindern zu müssen).

RTL Klub und TV2 sind im Moment Tiefpunkte der ungarischen TV-Kultur, echte Volltorpedos für die Entstehung von Öffentlichkeiten und Gemeinwesen – ich sage das sonst nie: Aber wenn man den Untergang des Abendlandes sehen will, muss man sich diese Kanäle anschauen. Die beiden Gesellschaften fressen inzwischen ca. 60 Prozent des Werbetats für Fernsehen.

Ihre Lobbys sind so stark, dass erst unlängst die Medienbehörde ORTT ohne weitere Anhörung die Lizenzen der beiden Gesellschaften um weitere sieben Jahre verlängert hat, was heißt, dass die jetzige Mediensituation (vor allem was die technologische Erneuerung/Digitalisierung betrifft) bis 2012 zubetoniert sein wird – es sei denn das oberste Gericht gibt einer Klage – weiß jetzt nicht von wem - Recht, die diese Verlängerung als unrechtmäßig erklärt hat: Ich rechne mit der Verlautbarung des Urteils um den 31. Dezember 2011...

Als letzter landesweiter Kanal ist schließlich das 1992 gegründete Duna-TV zu erwähnen, ein explizit für die außerhalb der Grenzen der Republik, wie das so schön heißt "im Karpatenbecken" lebenden UngarInnen operierender, nur über Satellit bzw. im Raum Budapest und Westungarn über DVB-T empfangbarer Sender. Im Kern konservativ und/oder nationalistisch ist dieser Sender aber nicht schlecht, weil er seinen Kulturauftrag Ernst nimmt: OK, Duna kann sich sehr oft nicht wirklich entscheiden, ob es eine Art Lokal-TV z. B. für das südliche Banat bzw. die Große Schüttinsel sein will oder ein ungarischer Ableger von arte, aber es geht. [arte hat heute übrigens die Geschichte der Budapester Kettenbrücke im Programm, sag' ich nur einmal.]

Am 16. April startet Duna seinen neuen Ableger Autonómia-TV, ein von der EU-Kommission unterstützter Kanal für Minderheitenbelange, wobei voraussichtlich unter "Minderheiten" wie im ungarischen Sprachgebrauch üblich ausschließlich derer ethnischer gemeint sein dürfte.

In der Regel gibt es neben den terrestrisch ausgestrahlten drei landesweiten Programmen im Regional- und Lokalbereich noch eine weitere Frequenz, die eben lokal und/oder regional genutzt werden. Dabei sind dies immer unterschiedliche Konstruktionen: Teilweise sind sie kommerziell, teilweise in der Hand der jeweiligen Selbstverwaltungskörperschaften – und damit oft eine Art "Wien heute", also Typus. "Was hat unser allseits geliebter, großer Bürgermeister heute für uns Gutes und Nachhaltiges gemacht?"

Gleichzeitig beginnen sich aber diese TV-Stationen unter dem Branding Hálozat TV (Network-TV) zu gewissen Terminen landesweit durchzuschalten, und bilden dann ein viertes landesweites Netz: Rechtlich ist das umstritten, fürchten die "biggies" schon wieder um ihre Kohle. In Budapest heißt der lokale Fönix-TV, ohne Homepage, daher kein link. In Budapest gibt es noch eine fünfte und sechste UHF-Frequenz, eine ein rein kommerzieller Serienabspulsender namens Viasat3, damit zur Viasat-Gruppe gehörend und FixTV, eine Art Videoclipsender mit Computerberatung – so was hat es einmal im Wiener Kabel gegeben: Giga NBC, glaube ich.

Nun interessant(er) macht die ungarische TV-Szene aber vielleicht ein anderes Phänomen: Über Kabel, Digi-Sat und ein nur in Ungarn angewandtes System namens AM-Mikro werden zusätzliche Spartenprogramme verbreitet. Kabel wird im wesentlichen von zwei Monopolisten, UPC und T-Com, betrieben, Digi-Sat in einem verschlüsselten Programmbouquet von UPC ("UPC direct") und seit neuestem von einem rumänischen Diskonter (die ORTT tobt).

AM-Mikro wiederum war eine in den direktsatellitenlosen Siebzigern entwickelte ungarische Technologie, die es ermöglichte, den Gästen der großen internationalen Hotels ausländische Programme zugänglich zu machen: ORF, deutsches Fernsehen oder das über große Nachrichtensatelliten verbreitete CNN wurden über einen amplitudenmodulierten ("AM") Mikrowellensender am Budapester TV-Turm weiterverbreitet: Allein die im spill-out Bereich dieses Senders liegenden Haushalte konnten mit einigen Tricks diese Sender ebenfalls empfangen – und dieser Bereich umfasste fast ganz Budapest. AM-Mikro wurde dann von der für die technische Programmverbreitung zuständigen Antenna Hungaria übernommen und wird heute - als Antenna Digital digitalisiert - mit fast einhundert Programmen vermarktet. Die profitable Antenna Hungaria - der österreichischen ORS vergleichbar – wurde vor kurzem privatisiert, heißt an eine staatliche Schweizer Senderbetreiberfirma verkauft.

Über diese Betreiber sind zahllose Spartenkanäle empfangbar, von denen hier nur die in ungarischer Hand befindlichen erwähnt werden: Hír-TV ist der rechte Infokanal, Magyar ATV der linke, daneben gibt es Kinder-, Sport- und Gastronomiekanäle (TV Paprika, was sonst?), sowie einen für Inneneinrichtung.

Interessant dabei ist, dass diese Kanäle zunehmend in den mitteleuropäischen Raum – Polen, Slowakei, Tschechische Republik, Serbien und Rumänien - expandieren, während sie in Ungarn selbst zunehmend wegen der restriktiven Mediengesetzgebung behindert werden: Meine Ausfälle bezüglich der Behinderung des terrestrischen Digitalfernsehens, worüber zwischen Kontroll/Zensurbehörde ORTT, kontrollierungssüchtigen FIDESZ und MSZP und profitorientierten Kommerzanstalten seltene Einmütigkeit herrscht, sind ja bekannt.

Im übrigen meine ich, die ORTT gehört zerschlagen.

http://kakanienneu.univie.ac.at/static/files/27246/MTVBUDklein.GIF


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Budapest

A picture from the heydays of liberal Budapest - when a whole (though short) underground line could be built within two years. And M1, the famous "Földalatti", Budapest's yellow line, still works. I have never seen this image of the construction on Andrássy before, so be full of admiration - and I am not telling your where it is from...

The M1-line so is a memento to both: a liberal mayor (for what Budapest was capable of) and the Siemens company, who more than a hundred years ago was capable of producing faultless underground trams (not like today's Combino crap...)

Budapest has – together with St. Petersburg and Vienna – one of the largest tramway networks of the world. The tramway type "UV" – standing for "Új villamos - New tramway" and pictured above – was designed in the early forties and is still a symbol for Hungary's once high-tech railway-carriage industry. With the arrival of the new low-floor-trams in spring 2006 – built by Siemens in Vienna and not too beautiful – this landmark of Budapest will vanish from the cityscape.
György Petri: Imre Nagy

Du warst unpersönlich wie die anderen bebrillten Führer
im Sakko, deine Stimme war nicht metallen,
denn du wußtest nicht, was du eigentlich sagen solltest,
so unvermittelt den vielen Versammelten. Gerade das Plötzliche
war ungewohnt für dich. Du alter Mann mit dem Zwicker,
ich hörte dich, ich war enttäuscht.
Ich wußte noch nichts

vom Betonhof, wo der Staatsanwalt
das Urteil gewiß heruntergeleiert hat,
ich wußte noch nichts von der groben Reibung des Stricks, von der letzten Schmach.

Wer will sagen, was sagbar gewesen wäre
von jenem Balkon aus, Möglichkeiten, unter Maschinengewehren
verfeuert, kehren nicht zurück. Gefängnis und Tod
wetzen die Schärfe des Augenblicks nicht aus,

wenn der eine Scharte bekommen hat. Aber wir dürfen uns erinnern
an den zögernden, verletzten, unentschlossenen Mann,
der gerade seinen Platz zu finden schien,

als wir davon aufwachten,
daß man unsere Stadt zerschoß.

Übersetzt von Hans-Henning Paetzke

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