Vorträge - Lectures - Part 9

posted by SHorváth on 2007/10/24 21:51

[ Vorträge - Lectures ]

Das Filmarchiv Austria begeht den World Day of Audiovisual Heritage am 27. Oktober 2007 mit einem Tag der offenen Tür seines Studienzentrums. Diese Schnittstelle zwischen Filmarchiv und Öffentlichkeit steht für ein lebendiges Archiv, für die Umsetzung einer Philosophie der Balance zwischen Bewahren und Zugänglichmachen. - Eine Einladung in die Welt der (Film-)Archive.
 

Samstag 27.10., Studienzentrum des Filmarchiv Austria, Obere Augartenstraße 1e, 1020 Wien

11:00 Uhr

FILM/ARCHIV/ARBEIT - Eine open lecture mit Thomas Ballhausen und Gästen


14:00 Uhr

Restaurierungsbeispiel 1:
STADT DER JUDEN A 1924


17:00 Uhr

Restaurierungsbeispiel 2:
MOZARTS LEBEN, LIEBEN UND LEIDEN A 1921


Anmeldung erbeten unter augarten@filmarchiv.at bzw. unter 01/216 13 00


 

    Das Archiv - das gleichermaßen System der Ordnung und eigentliche Sammlung ist, die durch ein differenzschaffendes Scharnierelement administrativer, submedialer Prozesse verbunden sind - kann auf diesem Weg als Ort der intellektuellen Wertschöpfung begriffen werden, der durch seine heterogenen Bestände vor-geprägt ist. Die unterschiedlichsten Arten des Bestandes sind dabei eben nicht nur wesentliches Kennzeichen, sondern vielmehr auch eine positiv wirksame Rahmenbedingung für den Umgang mit dem jeweiligen Material und Vorgabe gewisser Grundlinien diskursiver Arbeiten und Herangehensweisen. So kann abseits von fälschlich unterstelltem Selbstzweck über eine andauernde Neubewertung nicht nur ein umfassenderes, besseres Verständnis der eigenen Disziplin und neuerer Entwicklungen, sondern auch ein kritisches Analyseinstrumentarium umfassender sozialer Prozesse gewonnen werden.
    Die konsequente Befragung der gegebenen Sammlungsbestände – was also etwa noch als Ausstellungsexponat tauglich ist oder schon als Teil einer disziplinhistorischen Auseinandersetzung gilt – kann somit nicht (mehr) im engen Verständnis einer als allumfassend missverstandenen Hermeneutik der endgültigen und immerwährenden Ergebnisse stattfinden. Vielmehr verlangt eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Erinnerung und Archiv nach einer – im poststrukturalistischen Sinne – Kette miteinander verknüpfter Auslegungen, die auch die Geschichte des eigenen Arbeitsfeldes befruchten und vorantreiben. Trotz der mitunter kritisch zu betrachtenden Ausrichtung dieser interpretativen Verfahrensweise ist diese aber immer noch die geeignetste, um die Veränderung des Stellenwerts des erfassten Materials, in Bezug zu einer in narrativen Formen organisierten (Disziplin-)Geschichtsschreibung und hinsichtlich aktueller Fragestellungen, aufzuzeigen.
    Zu berücksichtigen bleibt dahingehend auch die disziplininterne Bedeutungszuschreibung im Rahmen einer zweifachen Bewegung: Die erste ist die Herausentwicklung des jeweiligen Artefakts aus einer der Entropie verhafteten Phase der Unordnung in einen Zustand der Aufwertung. Die zweite, daran wohl zumeist anschließende Bewegung, ist die einer Zirkulation von Semantisierungsleistungen als Auseinandersetzung mit Sammlungsbeständen und Einzelobjekten, einem Diskurs im Sinne eines Oszillierens zwischen den Spannungspunkten von Latenz und Aktualisierung. Hinsichtlich der (metaphorischen) blinden Flecken, die sich durch die Eingebundenheit in ein System ergeben -, also im weitesten Sinne eine quantenmechanische Bezüglichkeit im Sinne von Position, Beobachtung und zu verrichtender Arbeit – kann das Erkennen dieser Position, ganz im Sinne einer weiterführenden Verbindung von Rationalität und Sammlung, zu einer Erkenntnis der Teilhabe an historischen bzw. historisierenden Prozessen führen. Es ist ja durchaus erstrebenswert, die Gegenwärtigkeit dieser mnemotechnischen Archivarbeit dabei nicht aus den Augen zu verlieren, also an aktuellen Diskursen zu partizipieren und dem dringlichsten Wunsch der Archive nachzukommen: einem delirierenden Zustand zu entkommen und auf eine Ordnung zuzusteuern, die in der Lage ist, sich selbst kritisch zu befragen und der eignen Disziplin sinnvolle Möglichkeiten der Unterstützung und der (Selbst-)Reflexion im Sinne einer metaphorischen Registratur bieten zu können.

Thomas Ballhausen - Leiter des Studienzentrums

Quelle: 47filmarchiv - Programmzeitschrift des Filmarchiv Austria


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