Partei und Verbrechen

posted by Katalin Teller on 2008/09/02 12:52

[ Verbotene Worte | Fobidding Words ]

Gleich zwei Erstveröffentlichungen von Georgi Tenev (Sofia) konnten in der Reihe Verbotene (W)Orte publiziert werden: Romanauszüge aus Parteipalast und die Erzählung Rückkehr aus Den Haag (in toller Übersetzung von Elvira Bormann-Nassonowa) tasten die jüngste Vergangenheit von Mittel-, Ost- und Südosteuropa einfühlsam ab.

Die m.E. nach wie vor (und wie lange noch wohl?) schizophrene Verfassung in Sachen Konfrontation mit der Vergangenheit auf unseren Breitengraden kommt wunderbar im folgenden Monolog des in Folge einer Leukämie (Tschernobyl!) verstorbenen und in eingeäscherter Form nach Kasachstan beförderten Parteifunktionärs aus dem Parteipalast zum Ausdruck:

Keine Ahnung, was er da plappert, ich habe mir angewöhnt, nicht mehr auf sein Geschwätz zu achten.
"Letzten Endes, mein Junge", redet er weiter, aus der Urne, "weißt du noch gar nichts. Und ehrlich gesagt, weiß ich auch nichts mehr, so sieht das für mich aus. Also gut, sagen wir, du fliegst hin und her, reist ein bisschen herum. Aber irgendwann einmal musst du nach Hause zurück, chrrrr." K-schew niest und hustet heiser.
Ich weiß, im Frachtraum ist es kalt.
"Ja, und dort werden wir uns wieder begegnen. Und du wirst für dein schlechtes Verhalten bezahlen. Ja, weil wir uns begegnen werden. Alle Wege sind von mir vorgezeichnet, mein Junge. Schau nur: Vor allem jetzt, da ich ein Nichts werde, Schall und Rauch, wie die Schatten der Bäume, die die Landstraße säumen. Sieh doch, von hier ist es deutlich zu sehen, der Asphalt umgürtet die Heimat, durchquert mit blauen Patronengürteln den fruchtbaren Busen der Gärten. Hinter den Sonnenblumen bin ich, ich weile im Schatten der Zweige, an der Biegung strahlt mein ewiges Licht. Die Zukunft, von der aus ich scheine, wird nie Vergangenheit sein, denn:

Wir stehen an jedem Kilometer,
und das bis ans Ende der Welt!

"Ja, du hast ja recht", sage ich zu ihm, damit er endlich Ruhe gibt. Ich wickle mich in die Decke. Der Wodka wärmt mich angenehm, denn er ist rein und schmeckt, ein Brudergetränk – immerhin ist das die ehemalige Sowjetische Fluggesellschaft. Die Landung in Kasachstan erfolgt pünktlich.

Die Last/Lästigkeit der Väter schleppt man einfach mit - die Frage ist nur, wie sie zu bewältigen ist...

 

 


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