Bücher | Books - Part 112

posted by PP on 2006/12/22 11:34

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Hervorgegangen aus einem Workshop im Rahmen des Sonderforschungsbereichs Erinnerungskulturen der Universität Gießen, umfasst der deutsch und englisch angelegte Band
Jochen Hellbeck, Klaus Heller (Hg.): Autobiographische Praktiken in Russland. Autobiographical Practices in Russia. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2004, 301 pp.
[ISBN 3-899-71192-0, EUR 34,90,-]
, der nun eine Rezension durch Anke Stephan erfuhr, sowohl literatur- als auch geschichtswissenschaftliche Beiträge.
Die Herausgeber gehen davon aus, dass autobiographisches Schreiben oder Handeln ein dynamischer Prozess ist, der Selbstbilder von Individuen zugleich repräsentiert und erzeugt. Zweitens sei dieser Prozess maßgeblich von kulturellen Praktiken gesteuert, von konzeptionellen oder institutionellen Vorgaben, die mitentscheiden, ob oder in welcher Form Repräsentationen des Selbst geschaffen werden.
Im Zentrum der Betrachtung steht damit die Wahrnehmung und Konstitution des Selbst. Für den russischen Kulturraum, dem sich der Sammelband ausschließlich widmet, ergeben sich daraus einige Besonderheiten: Zwar sind sowohl aus vorrevolutionärer Zeit wie auch aus Sowjetrussland unzählige Tagebücher, Memoiren, Briefe und andere Quellen überliefert, die Auskunft über Selbstvorstellungen geben, jedoch wurde Individualismus im 19. und 20. Jahrhundert kaum als positiver Wert betrachtet. Statt dessen prägten kollektive Selbstentwürfe das Persönlichkeitsbild, so dass sich autobiographisches Erzählen im russischen Kulturraum deutlich von der Tradition Westeuropas unterschied, wo das Genre der Autobiographie eng mit der Herausbildung des bürgerlichen Selbstbewusstseins verknüpft war. Demgegenüber betonen russische Autobiographen weniger die Konstituierung der eigenen Persönlichkeit, sondern betten ihr Handeln in den geschichtlichen Zusammenhang ein.

Die Rezension fällt nicht ganz unkritisch aus:

Bedauerlicherweise machen sich zudem die wenigsten Autorinnen und Autoren die Mühe, ihre detaillierten Ausführungen zu einzelnen Fallbeispielen in einem Fazit nochmals zu reflektieren, in einen größeren Kontext einzuordnen und den expliziten Bezug zu den eingangs formulierten Fragen und Thesen herzustellen. Dieses Manko wird auch nicht durch die kurzen Zusammenfassungen/Abstracts am Ende jeden Beitrags aufgewogen.

Dennoch bleibt, durchaus auch ausgehend von Beiträgen des Bandes, die Hoffnung zu formulieren:

Die Kultivierung der eigenen Persönlichkeit, die Arbeit am Selbst, die Suche nach dem Heil in Selbstreinigung und Erneuerung seien somit als fortlaufende autobiographische Praxis zu lesen. Diese These gibt, so ist zu hoffen, Anlass zur weiteren Auseinandersetzung mit autobiographischen Texten im russischen Kulturraum.


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Senior Editor

Seitenwechsel. Geschichten vom Fußball. Hgg. v. Samo Kobenter u. Peter Plener. Wien: Bohmann 2008, 237 pp.
(Weitere Informationen hier)
Transcarpathica. Germanistisches Jahrbuch Rumänien 3-4/2004-2005. Hgg. v. Andrei Corbea-Hoisie u. Alexander Rubel. Bukarest/Bucuresti: Editura Paideia 2008, 336 pp.
[Die online-Fassung meines Einleitungsbeitrags "Thesen zur Bedeutung der Medien für Erinnerungen und Kulturen in Mitteleuropa" findet sich auf Kakanien revisited (Abstract / .pdf).]
Seitenweise. Was das Buch ist. Hgg. v. Thomas Eder, Samo Kobenter u. Peter Plener. Wien: Bundespressedienst 2010, 480 pp.
(Weitere Informationen hier wie da, v.a. auch do. - und die Rezension von Ursula Reber findet sich hier [.pdf].)
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