Europa | Europe etc. - Part 33

posted by PP on 2006/12/28 10:32

[ Europa | Europe etc. ]

Mircea Dinescu, 1950 im rumänischen Slobozia geboren, arbeitete als Literaturredakteur und Lyriker, engagierte sich als Bürgerrechtler und gründete nach der Wende in Rumänien einen eigenen Verlag. In einem Interview mit der Frankfurter Rundschau - "Backgammon spielen" - spricht er über den bevorstehenden Beitritt Rumäniens zur Europäischen Union, die neuen medialen Machtverhältnisse, die Lage der Demokratie und die rumänische Intelligenzia.
Und es ist nicht gerade hoffnungsvoll, was Dinescu sieht:
In Rumänien hat die Zivilgesellschaft, bestehend aus Intellektuellen, Anfang der 90er Jahre ein politisches Straßenschauspiel abgezogen. Danach hat sich die rumänische Zivilgesellschaft aufgelöst. Zurzeit existieren keine Leitfiguren mehr. Die Dissidenten sind einer Verleumdungskampagne ausgesetzt durch ehemalige Securitate-Mitarbeiter, die jetzt entweder Medienunternehmer oder führende Politiker sind. Die Jugend verweigert sich unterdessen der Realität, sie hat Spaß - eine "Fußballgesellschaft", in der die Stadionfreiheit nationalistische, gar faschistische Züge trägt. Es scheint, als ob die rumänische Zivilgesellschaft ins Stadion eingezogen wäre oder nur auf "Manele"-Konzerten zu finden ist. Manele sind populäre türkisch-orientalisch klingende Lieder. Gäbe es ein Manele-Konzert in einem Bukarester Park, würden 5000 Menschen erscheinen. Zu einem Vortrag von 50 Intellektuellen dagegen nur 30 Interessierte. Die rumänischen Intellektuellen sind nicht einmal in der Lage, solidarisch miteinander zu sein oder eine Brücke zu den Arbeitern zu bauen wie in Polen. Die ehemaligen Künstlerverbände haben auch nicht mehr die Bedeutung wie vor '89. Die Menschen sitzen zuhause vor dem Fernseher, spielen Backgammon oder essen Sonnenblumenkerne... Die Zivilgesellschaft hat sich in die Sessel zurückgezogen. Nach den neuesten Umfragen würden 90 Prozent der Jugendlichen Rumänien den Rücken kehren, gerade jetzt, wo sie etwas Neues aufbauen sollten - und die Alten bleiben. Ein Paradox, das uns zu denken geben sollte - leider ein östliches Phänomen.

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Senior Editor

Seitenwechsel. Geschichten vom Fußball. Hgg. v. Samo Kobenter u. Peter Plener. Wien: Bohmann 2008, 237 pp.
(Weitere Informationen hier)
Transcarpathica. Germanistisches Jahrbuch Rumänien 3-4/2004-2005. Hgg. v. Andrei Corbea-Hoisie u. Alexander Rubel. Bukarest/Bucuresti: Editura Paideia 2008, 336 pp.
[Die online-Fassung meines Einleitungsbeitrags "Thesen zur Bedeutung der Medien für Erinnerungen und Kulturen in Mitteleuropa" findet sich auf Kakanien revisited (Abstract / .pdf).]
Seitenweise. Was das Buch ist. Hgg. v. Thomas Eder, Samo Kobenter u. Peter Plener. Wien: Bundespressedienst 2010, 480 pp.
(Weitere Informationen hier wie da, v.a. auch do. - und die Rezension von Ursula Reber findet sich hier [.pdf].)
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